CHINCHILLA-ERNÄHRUNG
KLEINE NAGER MIT GROSSEN ANSPRÜCHEN
erschienen in der RODENTIA Nr.29 Januar/Februar 2006
Autoren: D. Klein / T. Meschkat


Der Anbau heimischer südamerikanischer Steppengewächse wäre unter den hiesigen klimatischen Bedingungen schwer möglich und kostenintensiv. Daher ist es wichtig, den in Menschenhand lebenden Chinchillas Ersatzfuttermittel anzubieten, die aus heimischen Kulturpflanzen hergestellt werden. Hierbei gilt es ein möglichst ähnliches Verhältnis der Anteile von Rohfasern Proteinen, Fetten, Kohlehydraten, Vitaminen und Mineralstoffen zu erhalten, wie es in den Futterpflanzen im natürlichen Lebensraum der Chinchillas besteht.

Das Chinchilla wurde über den "Umweg" der Pelztierfarmen zum Heimtier des Menschen, der es anfänglich mit Heu und einer Mischung verschied. Getreidesorten ernährte. Später gingen die Züchter dazu über, den Tieren zusätzlich zum Heu, das den Hauptbestandteil der Chinchillanahrung ausmachen sollte, eine bestimmte Sorte von Pellets zu reichen. Über Jahrzehnte wurde die Zusammensetzung dieser Pellets immer weiter optimiert, sodass besonders die von Großzüchtern verwendeten Produkte heute den Ansprüchen des Verdauungssystems und Nährstoffbedarfs der Tiere gerecht werden.

Leider hat sich das in den Pelztierfaremen erworbene Wissen um die besonderen Bedürfnisse der Chinchillas bis heute nicht in der Futtermittelindustrie des Heimtierbereichs durchgesetzt.

So werden dort nach wie vor ungeeignete Leckereien und Mischfutterprodukte verschiedenster Varianten angeboten, die für die Nager aufgrund ihrer Zusammensetzung schädlich sein können. Mischfutterprodukte weisen oft ein für die Tiere sehr ungesundes Verhältnis von Energie-, Rohfaser- und Mineralstoffgehalten auf, sind zu leicht verdaulich oder teilweise sogar mit Hülsenfrüchten angereichert.
Wird eine zu leicht verdauliche Kost mit geringem Rohfasergehalt verfüttert, so ist der Darm des Chinchillas unterfordert, die Nahrung wird zu schnell verdaut und ausgeschieden. Die Folgen sind Duchfall, Vitamin- und Mineralstoffmangel. Zu energiereiche bzw. fett- oder zuckerhaltige Kost (z.B. durch Getreide, Nüsse, handelsüblkiche Nagerstangen, Obst etc.) belastet den Darm und kann zu Verstopfungen, Fettleibigkeit und langfristig sogar zu Organschäden (insbesondere einer Leberverfettung) führen. Während Chinchillas bei artgerechter Haltung und Fütterung durchaus ein Alter von bis zu 22 Jahren erreichen können, wird ihre Lebenserwartung durch eine falsche Ernährung oft drastisch verkürzt.

DIE RICHTIGE FUTTERZUSAMMENSETZUNG
Bei der Ernährung von Chinchillas empfiehlt sich ständig und reichlich angebotenes, gut getrocknetes Heu (Anmerk.: Pferdeheu) vom ersten Schnitt, das aromatisch duftet und auch die Grundlage für eine gleichmäßige Zahnabnutzung bietet.

Zusätzlich sollte ein ausgewachsenes Chinchilla 2 1/2 Esslöffel Pellets pro Tag (entsprechen ca. 35g) erhalten. Die Basis für Chinchillapellets bilden meist mehrere Komponenten, die auf die besonderen Bedürfnisse der Tiere abgestimmt wurden. Hafer, Weizenkleie, Weizengrießkleie, Weizen, Luzerne, Luzernegrünmehl, Grünkernmehl, Sonnenblumenschrot, Sonnenblumenextraktschrot, Zuckerrübenmelasse/Rübenmelasse, Melasseschnitzel, Sojaschrot, Sojaextratkionsschrot, Leinsamen und Malz sind typische Bestandteile. Auf den Verpackungen von Trockenfutter werden neben den Grundbestandteilen oft auch so genannte Vormischungen, Spezialmischungen oder Zusatzvormischungen aufgeführt. Hierbei hande es sich um Anreicherunge mit Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen, die andernfalls durch die Zusammensetzung der Grundstoffe nicht ausreichend im Futter ernthalten wären. Gemeint sind beispielsweise Methionin, Lysin, Vitamin A, Vitamin D-3, Vitamin E, Vitamin K-3, Vitamin B-1, Vitamin B-2, Vitamin B-6, Vitamin B-12, Calcium, Magnesium, Natrium, Eisen, Zink, Mangan , Kupfer, Jod, Kobalt und Selen.
Über viele der aufgteführten Stoffe besteht keine Informationspflicht, wie dies z.B. bei Vitaminen der Gruppe B der Fall ist. Um detaillierte und vollständige Informationen zu erhalten, sollte man sich diesbezüglich direkt an den Hersteller wenden.

Vergleich Inhalte verschied. Futtersorten
(Anmerk. Gaby Kölbl-Schuberth: Zusammenfassung der Daten von den Aufkleber
der Futtersäcke aus den letzten Lieferungen)

Chinchillas verfügen aufgrund des wenig ausgeprägten Artenreichtums in ihrem ursprünglichen Lebensraum nicht über ein instinktiv gesteuertes Verhalten, das sie or dem Fressen ungeeignteten Futters bewahren könnte. Im Gegenteil: Das angeborene Verhalten, einen Großteil der Nahrung lediglich über eine bestimmte Pflanze abzudecken, wirkt sich bei einer Erhnähung mit Mischfutter nachteilig aus. Bei einem Mischfutter, das aus Pellets und weiteren Komponenten besteht, geben die Tiere einer fetthaltigen Komoponente meist den Vorzug gegenber Pellets, obwohl dies auf den gesamten Nährstoffbedarf der Tiere abgestimmt sind. Da der Gesamtbedarf an lebenswichtigen Nährstoffen dann nicht mehr gedeckt ist, sind eine einseitige Nährstoffversorgung und Mangelerscheinungen die Folgen.

Aus demselben Grund ist man auf den Pelztierfarmen bereits vor Jahrzehnten dazu übergegangen, anstatt wie zuvor einzelne Futterkomponenten zu verfüttern nur noch Pellets anzubieten. Die Herstellung von Mischfuttersorten für den Heimtiermarkt stellt
m.E. also einen eindeutigen Rückschritt dar.

Ein verantwortungsbewusster Chinchillahalter verzichtet daher auf die Gabe von Mischfutter sowie auf die Zugabe von Kräutern oder ungesunden Leckereien. Das Zufüttern von Kräutern kann sinnvoll sein, wenn sie bei Krankheiten oder Verletzungen nach Absprache mit dem Tierarzt gereicht werden. So kann der Halter beispielsweise einige Fenchelblätter anbieten, die die Milchproduktion säugender Weibchen anregen, oder durch eine entzündungshemmende Wirkung der Kamille die Wundheilung im Mundraum zu unterstützen. Das Verfüttern von Kräutermischungen ergibt dagegen keinen Sinn, wenn verschiedene Inhaltsstoffe einander entgegenwirken - beispielsweise einen beruhigende und einen anregenden oder einen
verdauungsfördernden und einen stopfenden Effekt haben. Daher eignen sich Krätermnischungen auch nicht als Leckerbissen.

Da Leckereien von den Tieren meist gern angenommen werden, sollte man besonders sorgfältig damit umgehen. Die im Zoofachhandel für Chinchillas oftmals angebotenen Leckereien wie Rosinen, Bananenchips und Getreidenagestangen sollten augrund ihres Zucker- oder Fettgehalts grundsätzlich vom Speiseplan gestrichen werden. Insbesondere Rosinen können die Backenzähne der Nager angreifen und führen in seltenen Fällen sogar zu Zahnfäule, wenn die Reste augrund ihrer klebrigen Konsistenz in den Zahnzwischenräumen hängen bleiben.
Alternativ kann pro Tier max. zwei- bis dreimal pro Woche eine schmale Apfelspalte in frischer oder getrockneter Form angeboten werden. Allerdings sollte der Apfel weder gezuckert noch geschwefelt sein. Auch getrocknete Hagebutten oder Blätter von Mariendistel oder Topinambur sind relativ unbedenklich.

Besonders beliebte Leckerbissen, die man den Chinchillas in unbegrenzter Menge geben kann, sind kleine Haselnuss- und Weidenzweige, die die Tiere außerdem mit wertvollen Mineralstoffen versorgen. Äste von Apfel, Birne, Haselnuss oder Weide sollten ihnen, ebenso wie Kalknagestein, ständig zur Verfügung stehen. Die Gabe gesunden Nagematerials zusätzlich zum Heu dient nicht nur als Nahrungsergänzung, sondern ermöglicht den Tieren auch den dringend notwendigen Zahnabrieb.


DIE RICHTIGE KONSISTENZ UND MENGE
Da Chinchillas Nagetiere sind, spielt die angebotene Nahrung nicht nur hinsichtlich der Nährstoffversorgung ein eRolle. Ebenso relevant ist die Konsistenz der angebotenen Futtermittel. Sind diese zu weich, oder steht den Tier zu wenig Heu zur Verfügung, so werden die ständig nachwachsenden Backen- und Schneidezähne nicht ausreichend abgenutzt. Dies kann zu einer falschen Kauweise der Tiere führen und auch Zahnfehlstellungen zur Folge haben. Um Zahnproblem wieder zu korrigieren, bedarf es oft einer langwierigen Therapie durch einen auf Chinchillas spezialisierten Tierarzt. Selbst eine solche Therapie fürht nicht immer zum Erfolg und kann schlimmstenfalls sogar mit dem Tod des Tieres enden.

Demnach gilt auch in der Chinchillaernährung: Weniger ist mehr!

Wer sich an diesen Grundsatz hält und seine(n) Hausgenossen ausschließlich mit f rischem Wasser, Heu, guten Chinchillapellets und geeigentem Nagermaterial ernährt, der hat die besten Voraussetzungen geschaffen, um sich viele Jahre an lebhaften und gesunden Tieren zu erfreuen!


mit freundlicher Genehmigung der Rodentia und Daniela Klein, Juni 2008